Mainzer Wochenblatt vom 11. Januar 1996
Kolumne „De Dibbegucker“
Irritationen
Nicht nur andere, sondern sich selbst auf den Arm zu nehmen, sollte ein wesentliches Merkmal Meenzer Humors sein. Deswegen auch besondere Anerkennung denen, die im Rahmen der Meenzer höchsten Feierdääg hierzu ihren Teil beitragen. Viele gehen dabei auf Distanz zu den Großvereinen, die Meenzer Fassenacht mehr fremdverständlich zeigen, was halt nicht jedermanns Sache ist. Doch sollte man nicht vergessen, dass es gerade die Fernseh-Fastnacht war und auch noch ist, die alljährlich für Mainz die Werbetrommel rührt. Über allem, von den Turnhallen und Bürgerhäusern bis zur Rheingold-Halle, steht ein ungeschriebenes Gesetz, das da heißt: Die Fassenacht muß sauber bleiben!
Diesen Nimbus zu attackieren, haben sich offensichtlich einige Leute mit einer besonderen Art von Humor zu Herzen genommen. Ihr neuer Carnevalsverein nennt sich „Die Drecksäcke“. Zitieren wir hierzu aus Dr. Karl Schramms Wörterbuch: Dreckbiddel, Dreckdeiwel, Drecksack, Dreckbehle. Schimpfworte aus der vulgären Sprache. die häufige Zusammensetzung mit „Dreck“ sind für das Mainzerische bezeichnend.
Drecksack ist in Mainz eines der übelsten Schimpfworte. Daß sich untere anderem Mitglieder einer politischen Partei bis hin zum Stadtrat damit identifizieren, wenn auch mit fastnachtlichen Hintergedanken, stimmt doch nachdenklich. Es heißt zwar, Humor ist, wenn man trotzdem lacht, aber manchmal bleibt dieses halt im Halse stecken, auch in Erwartung einer „Stunksitzung“!