Mainzer Rheinzeitung vom 28.01.2008
Saudreckiger Feinsinn aus der Hölle
Trunksitzung der "Meenzer Drecksäck" im Haus der Jugend - Saure Gurke für Kurt Beck
MAINZ. Bös', böser, die Meenzer Drecksäck. Dieser Superlativ bestätigte sich auch am Samstag, bei der diesjährigen "Trunksitzung" im Haus der Jugend.
Sie begann nicht im grauen Dunst des Kohlekraftwerks, wie das Motto "Drecksau im Nebel - un die anner Seit is aach schun voll" erwarten ließ, sondern in weißer Winterlandschaft. Im Eröffnungsfilm fuhr die Familie Becker nämlich in den Skiurlaub. Dort enthüllten sie, dass "Heile, heile Gänsje" nicht von Ernst Neger, sondern von einem österreichischen Skilehrer geschrieben wurde. Als Sohn Peter und seine Schwester Margit bei den Nachforschungen unter eine Lawine gerieten, konnten dann nur noch Supermam und die Drecksau helfen.
Die Film-Protagonisten spielten auch in der Sitzung tragende Rollen. Birgit Schütz und Günter Beck moderierten in wechselnden Kostümen. Dabei überzeugten sie mit Präsenz, Witz und Beitragskenntnis. Und Angelika Spautz trat in der Laienspielgruppe auf, die unter anderem den Bahnwahnsinn (inklusive Maroni-Lok und Touri-Zug) und die Vereinheitlichung des Mainzer Stadtbilds aufs Korn nahm. Ihr tiefes Schlappmaul-Timbre ertönte kurz drauf in der Gesangsnummer "Pfui Deibel", in der fünf Höllen-Ladies und ein Mann die städtische Sündenrate steigerten.
Der eigentliche Star war aber wie immer die Drecksau. Das Riesenstoffschwein flog zum ersten Mal für "Filmvorführer" Joachim Knapp durchs Publikum. Er zeichnete im Anschluss an die Begrüßung "Meisterwerke des deutschen Gegenwartskinos" aus. Darunter der lokale Topstreifen: "Birgitt Collisi - Sie tanzte nur einen Sommer". Kurt Beck schlug er hingegen für die "Saure Gurke als bestes Filmgespenst" vor. Der "Gute-Laune-Bär" ist nämlich zum "roten Hui Buh" mutiert: "Er macht keinem richtig Angst, aber im Haus will man ihn auch nicht haben."
Vom roten Gespenst zum rosa Flaschengeist leitete der schwul-lesbische Chor "Die Uferlosen" über. Nach einer Schatzsuche im Rhein, zu der ein putziges Fischstäbchen angestiftet hatte, befreiten Seefahrer die verdächtig behaarte Jeannie. Die verriet ihnen das lokalpatriotische Geheimnis, dass "Mainz unser wahrer Schatz" ist.
So "klee und goldisch" fiel der Auftritt von Prediger Peter Herbert Eisenhuth und seinem Chor nicht aus. Die Teufel in himmlischer Kutte stimmten in Anlehnung an Eva Hermans fragwürdige Ansichten schon mal das Horst-Wessel-Lied mit neuem Text an. Zu sanften Lämmern wurden die klerikalen Outlaws nur bei Mainz 05. In Balladenmanier sangen sie ihrem Lieblingsverein "Laßt uns siegen" zu.
Spirituell inspiriert war auch der feinsinnig-böse Vortrag von Markus Höffer-Mehlmer. Als Verfasser des Buches "Ich bin dann mal Jeck" pilgerte er über den Rosenmontagszug. Um dann als Todes-Beamter "Senseschäng" über verschiedenste "Kunden" und ihre Sterbevorlieben aufzuklären.
Als Doping-Dezernent wollte der quirlige Vortrags-Debütant Michael Schwarz alles gegen den Rausch tun, obwohl er Angst vor "fetten Ex-Rauchern" hat, die die Erde aus ihrer Umlaufbahn werfen. Die Moderatorin der Theatersendung "Die Johanna B. Kerner-Spätlese Show" hielt dagegen nichts von Abstinenz. In Ermangelung von Wein betrank sie sich vor ihren Gästen mit "Osamas Goldtröpfchen", ein Erdöl mit ganz besonderem "Terroir".
Abgerundet und begleitet wurde die Sitzung wie immer von maskuliner Musikalität in Gestalt der Band "Toni, Ernst und die Hämmerle" und der bestechend eleganten Männertanzgruppe .
Nele Schüller