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Mainzer Rheinzeitung vom 28.2.2011

Mit immerhin 16 Jahren noch kein bisschen leise

 Von Brigitte Specht

Mainz - Kinder von Lehrern an derselben Schule haben es im Klassenraum oft schwer. Allein, um dem Verdacht vorzubeugen, die eigenen Sprösslinge würden bevorteilt, gehen die Pädagogen mit ihnen besonders streng ins Gericht.

Dasselbe Prinzip gilt offenbar auch bei den Meenzer Drecksäcken. Nur weil ihr Frontmann Günter Beck seit einem Jahr als Bürgermeister von den Grünen und Finanzdezernent selbst zu den Mächtigsten im Mainzer Rathaus zählt, gehen die Alternativfastnachter keine Spur gnädiger mit stadtpolitischen Ereignissen um.

Im Gegenteil. Sparvorschläge über Sparvorschläge kommen aufs Tapet, und die Zentrale Beteiligungsgesellschaft (ZBM), die im Herbst gegründeten Holding stadtnaher Gesellschaften, der Günter Beck höchstselbst als einer der Geschäftsführer vorsteht, ist Zielscheibe von Spott und Hohn: Auch in dieser, der 16. Kampagne der Drecksäck, lässt die fünfstündige Sitzung im Haus der Jugend kaum ein umstrittenes Mainzer Thema aus. Ebenso wenig machen die von liebevollem Augenzwinkern bis zur bissig-makabren Satire reichenden Betrachtungen vor nationalen oder internationalen Themen Halt. Und immer wieder fordert das Publikum, die legendäre, überdimensionale Sau rauszulassen - die Form von Anerkennung, die eines Drecksacks würdig ist.

Als solchen tituliert ihren Chef Elvira Filzbacher (Johannes Klomann) von den "Krawixxern", die als Sachbearbeiterin der ZBM mittlerweile für alles vom Personalausweis bis zum Zugplakettchen-Verkauf zuständig ist. Weil es hier "keine Rechte mehr gibt, nur noch alte Linke", wird ihr kurzerhand nicht nur die Bürowand, sondern auch noch der Urlaub gestrichen. Der Bürger indes muss für die Erledigung jedes Anliegens Bares spenden - für das "Winterhafen-Hilfswerk, die MAG". Ein kurzweiliger Streifzug durch die städtischen Sparmaßnahmen - durchbrochen vom wiederkehrenden Werbetrailer: "Landeshauptstadt Mainz. Sparen aus Leidenschaft."

Diese Mainzer Untiefen verlässt Peter Herbert Eisenhuth, wenn er als Prediger in geschliffenen bis derben Worten nicht nur mit dem früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, "der Bratsche unter den Arschgeigen", abrechnet, sondern auch mit dem Augsburger Bischof Walter Mixa, dem "Gott eine starke Hand gab, um Kinder zu misshandeln". Und Joachim Knapp sinniert, komplett in Orange gewandet, über seine Erlebnisse als "Guru der Bierzelte", als der er etwa die "Anonymen Liberalen" mit der Aussicht auf eine Wiedergeburt trösten will.

Das Glanzlicht des Abends freilich setzt Markus Höffer-Mehlmer. In seriös-grauem Anzug und mit schwarz umrahmter Brille kommt er dem Original allein optisch verblüffend nahe, wenn er als Thilo Sarrazin in einer Talkshow über das "Gelle-Gen" plaudert. Nur Träger dieser Erbanlage könnten die Fastnacht retten, postuliert er in seinem Buch "Die Fastnacht schafft sich ab". Bei gleichzeitigem Nachwuchsmangel stellt er, weil dieses Gen sich rezessiv vererben soll, durch zunehmende Zuwanderung "aus fastnachtsfernen Gebieten" und daraus resultierender Bevölkerungsdurchmischung besorgt immer mehr Schunkelallergien und Polonnaise-Phobien fest.

Freilich wären die Drecksäck nicht die Drecksäck, wenn sie nicht auch der traditionellen Fastnacht gekonnt eins mitgeben würden. So nimmt Beck als Sitzungspräsident mit MCV-Kappe wirklichkeitsnah Sitzungsgepflogenheiten aufs Korn. An einer Person aus der Riege der traditionellen Fastnacht jedoch ziehen die satirischen Pfeile der Drecksäcke gewollt vorbei, ohne auch nur zu streifen: an Ady Schmelz, dem langjährigen Organisator des Rosenmontagszugs, der im Mai vergangenen Jahres verstorben ist. Bei Beck bringt Schmelz vom Himmel aus Ordnung in den Wolken-Zug, und Peter Herbert Eisenhuth würdigt dessen Verdienste in einer fast liebevollen Reminiszenz. In irgendeiner Form muss Ady Schmelz wohl auch ein Drecksack gewesen sein.


Meenzer Drecksäck  |  info@meenzer-drecksaeck.de