Home
Wir über uns
Die Sitzungen
Presseberichte
2021
2020
2019 a
2019 b
2018
2017 a
2017 b
2016 a
2016 b
2015 a
2015 b
2014 a
2014 b
2013 a
2013 b
2012 a
2012 b
2011 b
2010 a
2010 b
2009 a
2009 b
2008 a
2008 b
2007 a
2007 b
2006 a
2006 b
2005 a
2005 b
2004 a
2004 b
2003 a
2003 b
2003 c
2003 d
2003 e
2002 a
2002 b
2001
2000 a
2000 b
1999
1998
1997 a
1997 b
1996 a
1996 b
1996 c
1996 d
1996 e
1996 f
Aktiven-Forum
Kontakt
Impressum
Datenschutz
Sitemap

Erfindungsreiche Trunksitzung der Mainzer Drecksäck brilliert mit scharfsinnigen Texten und lokalen Pointen

Mainzer Allgemeine Zeitung 20.2.2017

Von Monika Nellessen

MAINZ - Ach, wenn es doch Wirklichkeit wäre, dass Becker & Becker als Problemlöser in Mainz agierten! Dann gäbe es keinen Kundenrückgang auf dem Wochenmarkt, schließlich könnten sich Schluckspechte beim immerwährenden Marktfrühstück vor Deko-Obstständen ständig einen hinter die Binde gießen. Oder es schössen raketenbetriebene MVG-Busse im eleganten Sichelsprung über die Nirwana-Brücke am Campus. Welch phantastisches Bild – ebenso die Realsatire, wonach Verkehrsdezernentin Katrin Eder wegen Beschwerden über mangelnde Staus unter Beschuss stehen könnte: In der Opferrolle räkeln sich gleichermaßen Beigeordnete und aus dem Mecker-Modus geschleuderte Bürger. Ein Drecksack, wer Böses denkt.

So furios wie der Eröffnungsfilm von Birgit Schütz, Günter Beck und Angelika Spautz gestaltet sich die weitere Trunksitzung in der einst alternativen Narrhalla des Hauses der Jugend. Während in der übrigen Mainzer Fastnacht oft lokale Geschehnisse zu kurz kommen, stochern die Drecksäck lustvoll in kommunalen Untiefen, treffen aber auch in der Betrachtung der Weltlage immer wieder den Nerv.

„Nostradummy“ Ottmar Schwinn sortiert postalternative Fakten und richtet am Hauptfriedhof einen PMG-Automaten ein, um Trauerfeiern im Minutentakt abzurechnen, bevor der Verblichene in einen der „Dauerparkplätze bis zum Jüngsten Gericht“ einfährt. Im Diesseits beratschlagen eine Burnout-gefährdete Freiheitsstatue, eine ratlose Germania und eine Mainzer Friedenstaube mit dem Heiligen Martin und Johannes Gensfleisch, wie die Würde der Fleischwurst zu retten sei, schließlich wollen die Herrscher der Welt der Worscht an den Zippel. Der A-Cappella-Chor (Karla Martin, Stefan Keller, Heike Kaiser, Tina Clüsserath, Stephanie Oehler, Anke Eckhardt-Würz, Angelika Spautz) singt nicht nur toll, sondern brilliert auch textlich. Besser als alles andere, was über Erdogan, Putin und Trump auf anderen Mainzer Bühnen zu hören ist.

Am US-Präsidenten arbeitet sich auch Markus Höffer-Mehlmer ab, der Deutschland angesichts von über 400 Horrorclown-Überfällen gut auf Donald Trump vorbereitet wähnt. Zum Ende der Sitzung macht der leidenschaftliche Kabarettist als „Fastnachtssüchtiger“ den Abbinder und sich auf uneitle Weise – fast nackig im Badeanzug – zum Kasper. Chapeau! A propos: Gemeinhin neigen Drecksäcke ja kaum dazu, sich selbst hochzunehmen oder gar Selbstzweifel zu hegen, solange alles im grünen Bereich ist. Den Hunger nach solcher Ironie stillt ein Ausflug in die Fastfood-Bude der Zukunft: Die „Laienspielgruppe“ (Birgit Schütz, Hermann Junglas, Iris Antonietti, Thomas Klein, Oliver Buschbaum, Rahel Schmidt und Jonas Bonn) karikiert das Neustadt-Biotop samt „Gören-Milieu“ und „N’Scheiss“.

Ob Wahrheit oder Nonsens: Der Scheiß muss raus

Bevor das Männerballett (Rainer Christ, Thomas Dang, Klaus Cartus, Stefan Reitz) den Baby Boogie tanzt, gibt Peter Herbert Eisenhuth mit seinen Messdienern (Silke Wernet, Claudia Lenz, Christian Vogt, Irene und Hannah Lawen) geistlichen Beistand. Statt Kutte müsste Eisenhuth eigentlich OP-Kittel tragen, so wie er die Zeitläufte seziert, da „Mutti“ es in Europa (nicht) richtet und in Mainz die Passagiere der neuen Tram eine entschleunigte Fahrt in die rumpelnde Ewigkeit antreten („In der Mainzelbahn nachts um halb eins“). Die Sau, die der Chor der „Uferlosen“ (Leitung: Anja Komarnicki) besingt, ist zu diesem Zeitpunkt schon viele Male durch den Saal geflogen, auch wegen der grandiosen Moderationen von Günter Beck und Birgit Schütz, die mit Ady Schmelz vom Himmel aus den Rosenmontagszug lenken oder am Zaun das Schicksal des Kleingartenvereins Mainz 05 verhackstücken, irgendeine AG muss es sein, und Harald der Boss. Mit der Wahrheit ist es eben wie bei der Show, in der die beiden zum Schluss das Letzte hergeben: „Der Scheiß muss raus.“

Die Kapp gebührt dem A-Cappella-Chor rund um die Freiheitsstatue, der die Fackel gesungener politischer Fastnacht hoch hält.

 


Meenzer Drecksäck  |  info@meenzer-drecksaeck.de