Mainzer Allgemeine Zeitung vom 28.01.2008 Im Puppen-Reich der Komiteeter
Meenzer Drecksäck respektlos und rauchfrei
Von Michael Jacobs
Freie Sicht auf die Wutz: Erstmals zelebrieren die Meenzer Drecksäck ihre Sitzung qualmfrei - auch wenn das Motto "Drecksau im Nebel" heißt. Nie eierte die Drecksau majestätischer im wölkchenlosen Haus der Jugend-Himmel über die Häupter der Getreuen. Was ein selbst auferlegtes Rauchverbot doch bewirken kann. Und auch sonst setzen die Drecksäck im dreizehnten Jahr ihrer Gegenfastnachtsgeschichte alles daran, Entzugserscheinungen in Sachen anarchischer Brauchtumspflege maximal zu minimieren. Der wie immer glänzend aufmunitionierte Zwischen-Spieler Günther Beck lässt (zusammen mit Birgit Schütz) in der obligatorischen Ady Schmelz-Beschwörung den Fackelzug-vernarrten Zugmarschall als Ein-Mann-Leuchte poltern. Zuvor klatscht die gebündelte Frohsinns-Starre der Vereinsmeier via Kamerafahrt durch eine in Lachmasken eingefrorene Komiteeter-Puppenstube auf die Leinwand - ein kleiner Geniestreich. Auch der sonst mit kommunaler Politprominenz gespickte filmische Eröffnungs-Schocker ist diesmal rein basis-närrisch: Die Beckers verschneit´s ins österreichische Winter-Gauditorium Schwarzenberg, in dem kein anderer als der Skilehrer Franzen Seppl Stammgast Ernst Neger "Heile Gänsje" in den Bütten-Block diktiert haben soll. Kein Wunder, dass es Lawinen hagelt.
Natürlich brauchen auch Sitzungs-Avantgardisten verlässliche Eckpfeiler - wenn auch virulente Schunkel-Attacken künftig energischer unterdrückt werden sollten. Drecksäck-Protokoller Joachim Knapp sichtet auf der Polit-Berlinale die vergurkten Großtaten von Merkel, Mehdorn und Co, während Michael Schwarz vom Schneidetisch erstmals auf die Bühne wechselt und mit Crossover-Kokolores das städtische Suchtpotential und die planetarischen Gefährdungen aus dem Leim gegangener Ex-Raucher durchzieht. Eine spritzige Sketchparade mit Lokalkolorit lässt die Laienspielgruppe (Hermann Junglas, Clemens Kalbfuss, Nedim Tuyun , Jana Porten, Birgit Schütz) mit Maroni-Lok und mobiler Raucherecke auffahren, inklusive Detlev Höhne-Denkmal und viel Gefackel: "75 Jahre Machtergreifung - so lang is der Ady Schmelz doch noch net Zugmarschall." Prickelnd auch die Spätlese-Show der Riesling-Paten ( Barbara Lampe , Burkhard Lewe, Astrid Becker , Bernd Jussuf Weisbrod, Johanna Härten) samt maulfaulem Eisbär und Pol-Narrenverkappung. Dann wird´s standardmäßig tabubruch-trunken. Prediger Peter H. Eisenhut und seine fidelen Ministranten psalmodieren sündhaft unkorrekt, was der politische Klingelbeutel hergibt. Den reaktionären Dünnpfiff Eva Hermans mit einer parodistischen Umdichtung des Horst Wessel-Liedes zu kommentieren, dürfte aber eher in die Kategorie satirischer Verhebungen fallen.
Unverfänglicher der elegante Witz von Drecksäck-Allrounder Markus Höffer-Mehlmer, der unter dem Motto "Ich bin mal Jeck" Hape Kerkelings Pilger-Schwarte persifliert. Der Rosenmontagszug als Selbsterfahrungstripp - wenn auch der Weg finster in der Gaustraße endet. Als schwarzhumoriger Sensenmann ("Letzte Ölung? Jetzt bloss nichts Fettiges") biegt Höffer-Mehlmer gegen Ende nochmal die Final-Schanze gerade, während über den Aschern draußen im Foyer längst eine prächtige Nebelbank thront.
Der AZ-Jokus geht an Peter Stuyvesant, pardon, Markus Höffer-Mehlmer für humorig- spirituelle Inhalationen.